Wiederentdeckung eines Kulturschatzes der Stadt Wiener Neustadt

Im Rahmen der von Dr. Werner Sulzgruber auf dem jüdischen Friedhof durchgeführten Untersuchungen kam es 2007 zu einer sensationellen Entdeckung.
Bei einer Bestandsaufnahme waren dem Historiker zwei Grabsteine auf dem Gelände aufgefallen, die nicht neuzeitlich waren bzw. älteren Datums sein mussten. Auf Basis von weiteren Nachforschungen kamen drei weitere Grabsteine mit hebräischen Inschriften zu Tage.

Der historische Hintergrund

1862 waren im Süden der Stadt Grabsteine gefunden worden, allerdings nicht auf dem Areal des mittelalterlichen Friedhofs, sondern im Bereich des „Neunkirchner Tores“, also einem Abschnitt der mittelalterlichen Stadtbefestigung, die zu dieser Zeit geschliffen wurde. Die Grabsteine, die als Baumaterial gedient hatten und auf die Jahre 1262, 1274, 1341, 1346 und 1551 datiert wurden, kamen auf eine Lagerstätte (vermutlich auf den sog. „Stadthof“) und das Exemplar von 1262 in Privatbesitz.

Nach der Errichtung des „neuen“ jüdischen Friedhofs im Jahr 1888/89 waren die vier übrigen Grabsteine dorthin gebracht worden und in Vergessenheit geraten – obgleich sie noch 1927, dann aber zum letzten Mal, im Buch von Max Pollak über die „Juden in Wiener Neustadt“ erwähnt worden waren.

Im Laufe des 20. Jahrhunderts geriet das Wissen über den Standort dieser mittelalterlichen Grabsteine in Vergessenheit. Sie überdauerten die dunkle Zeit des „Anschlusses“, der „Reichskristallnacht“ und sogar die Verwüstungen des Zweiten Weltkriegs. Wie durch ein Wunder überstanden sie die intensive Bombardierung der Militär- und Rüstungsstadt, obwohl der Friedhof in unmittelbarer Nähe der Industrieanlagen im Norden der Stadt lag.
Trotz der Zerstörung der jüdischen Gemeinde 1938 blieben die Grabsteine dort und wurden offenbar nicht weiter beschädigt. Allerdings fielen drei der Steine um und verschwanden im Laufe der Zeit nahezu im Boden.

Hatten Mitglieder der jüdischen Gemeinde vor 1938 die Grabsteine absichtlich umgelegt, um die wertvollen Inschriften wenigstens bis zu einem gewissen Grad zu schützen? Oder waren einige der Steine durch Einwirkungen der Natur umgefallen und allmählich in der Erde versunken?

Wiederentdeckung 2007

Nach dem ersten „Aktionstag“ in Wiener Neustadt, der im April 2007 von Dr. Werner Sulzgruber organisiert worden war und bei dem Bäume und Sträucher abgesägt, der Grünwuchs massiv zurückgeschnitten, der Friedhof gereinigt und alle Grabsteine freigemacht wurden, wurde mit genaueren Untersuchungen am jüdischen Friedhof begonnen.
Nach Auskunft der IKG Wien, dass „keinerlei Aufzeichnungen über den Wiener Neustädter Friedhof“ aufliegen würden, also keine Situationspläne, kein Liegeplan und keine Daten über die Bestatteten vorhanden wären, war klar, dass für Wiener Neustadt eine grundlegende Erforschung notwendig und damit ein erheblicher Arbeitsaufwand entstehen würde.
Um einen ersten Überblick zu erhalten, wurde der Friedhof von Dr. Sulzgruber hinsichtlich seines Ist-Zustandes beleuchtet und eine erste Bestandsaufnahme vorgenommen. Im Laufe der Untersuchung nahm er zwei Grabsteine auf, die – nach deren Inschriften zu schließen – aus dem Mittelalter stammten. Ein Stein lehnte aufrecht an der Nordmauer, der zweite stand hinter Buschwerk an der Südmauer und war mit anderen Steinteilen fixiert.

Grabstein 1: 1268 Auffindungsstelle: Nordmauer, Kleine Allee, östlich
Grabstein 5: 1684 (?) Auffindungsstelle: Südmauer, Torweg

Zur Bestätigung wurde von Dr. Sulzgruber der Direktor des jüdischen Museums Eisenstadt und ein ausgewiesener Experte in Sachen hebräischer Inschriftenkunde, Mag. Johannes Reiss, hinzugezogen, der den Steinfunden ein ähnliches Alter wie jenen im Stadtpark (Schubertweg) zuschrieb.
Aufgrund dieser Nachricht wurde das Gelände – auch im Hinblick auf die Vorarbeiten zur technischen Vermessung des Areals – noch einmal von Dr. Sulzgruber genauer unter die Lupe genommen. Dem folgte eine erste Literaturrecherche über mittelalterliche Grabsteine in Wiener Neustadt. Anhand von Luftbildern und deren Analyse ließ sich das alte Wegenetz auf dem Friedhof vollständig rekonstruieren.
Da sich der jüdische Friedhof auf dem sogenannten „Steinfeld“ befindet und hier kaum Steinplatten oder Felsen vorzufinden sind, fielen dem Historiker zwei ungewöhnliche Steine bzw. Steinplatten an der Nordmauer auf. Ein Grabstein, noch dazu der größte von allen, ruhte unter Steinbrocken, Schutt und Verwuchs an der Südmauer – dem Auge entzogen. Die nun als mögliche Platten sichtbar gewordenen Steinteile oder -flächen wurden von ihm vorsichtig freigemacht.
Es zeigte sich, dass sich Steine im Erdreich etwa gegenüber den an der Mauer angelehnten beiden Grabsteinen (1, 5) befanden. Dies ließ den Schluss zu, dass es sich bei den in der Erde liegenden Steinen, der „Symmetrie des Ortes“ folgend, um Grabsteine handeln könnte. Sie schienen eine bearbeitete Form aufzuweisen und die Rückseiten von Grabsteinen zu sein.

Nun mussten diese Steine angehoben werden, um untersucht werden zu können. Die Stadtgemeinde Wiener Neustadt, allen voran Mag. Sinabell (Dienststellenleiter des Wirtschaftshofs), unterstützte die weitere Vorgangsweise, indem am 21. Mai Arbeiter und ein LKW mit Greifer zur Verfügung gestellt wurden. In Anwesenheit von Diplomingenieur Robert Pfleger kam es zur Hebung von zwei Steinen durch Mitarbeiter des Wirtschaftshofes. Diese konnten aufgrund hebräischer Schriftzeichen sofort als Grabsteine (2, 3) identifiziert werden. Wenige Tage später, am 25. Mai, erfolgte die Hebung des letzten Steines, ebenfalls eines Grabsteins (4).

Grabstein 2: 1341 Auffindungsstelle: Nordmauer, Kleine Allee, westlich
Grabstein 3: 1346 Auffindungsstelle: Südmauer, Kleine Allee
Grabstein 4: 1551 (?) Auffindungsstelle: Nordmauer, Torweg

Die besondere Überraschung lag nun darin, dass letztlich insgesamt fünf mittelalterliche jüdische Grabsteine sichergestellt werden konnten: Drei Grabsteine mit hebräischen Schriftzeichen wurden so – zu den zwei stehenden – nach Jahrzehnten des Vergessens ans Licht gehoben. Dass sich ein fünfter Grabstein ebenso an diesem Ort befand, ist deshalb besonders überraschend, weil keine historische Quelle darüber Auskunft gibt. Die letzte greifbare Information über den Verbleib der 1862 entdeckten Grabsteine stammt aus dem Jahr 1927, wo erwähnt wurde, dass vier der Grabsteine auf den neuen jüdischen Friedhof gekommen seien. Dieser war 1888/89 errichtet worden. Insofern mussten die genannten vier Grabsteine erst danach ihren Weg dorthin gefunden haben. In allen späteren einschlägigen wissenschaftlichen Aufsätzen und Arbeiten wurden einzelne dieser Grabsteine zwar noch erwähnt, aber den Autoren war es nicht möglich, den Standort derselben zu eruieren.
Zur Sicherstellung weiterer Dokumentationsschritte wurde eine Grobreinigung aller Steine vor Ort durchgeführt und eine Fotoserie anfertigt. Zum Zweck der Einbeziehung aller Verantwortlichen wurden die IKG Wien und entsprechende Abteilungen des Magistrats Wiener Neustadt über den bestehenden Sachverhalt informiert.

Zum Schutz der Grabsteine wurde die Öffentlichkeit bewusst nicht über die Funde in Kenntnis gesetzt.

Bedeutung und kultureller Wert der Grabsteine

Wie sich im Rahmen der Expertise von Mag. Johannes Reiss zeigte, handelt es sich um einen kulturgeschichtlich wichtigen Fund. Die Grabsteine sind eine Bereicherung für die bestehenden Kulturschätze der Stadt und des Landes Niederösterreich. Steine dieser Art und dieses Alters sind überhaupt sehr selten. Die Anzahl mittelalterlicher Grabsteine ist in Österreich äußerst gering und daher jeder Fund eine Sensation.
Solche Kulturgüter, vor allem dieses Wertes, müssen selbstverständlich unbedingt geschützt werden. Auf Initiative von Dr. Sulzgruber wurde eine Sicherung und Restaurierung durchgeführt. Nur durch das Zusammenwirken und die Kooperation einzelner Institutionen, wie der Stadt Wiener Neustadt (Kulturamt, Referat für Archiv, Museum und Denkmalpflege, Wirtschaftshof, Bauamt), der Kultusgemeinde Wien und des Bundesdenkmalamts, konnte das Ziel der Restaurierung und Aufstellung erreicht werden. Über zwei Jahre dauerte die Suche nach Fördermitteln, die Durchführung der Restaurierungen sowie die Planung und Umsetzung der Aufstellung.

Herr Regierungsrat Norbert Koppensteiner, der ehemalige Direktor des Stadtmuseums Wiener Neustadt, seine Nachfolgerin, Frau Mag. Eveline Klein, und Gemeinderat Martin Weber setzten wichtige Schritte, sodass die Renovierung und Aufstellung der Grabsteine realisiert werden konnten. Mag. Christian Gurtner, akademischer Restaurator und Bildhauer, zeichnete für die Restaurierungsarbeit verantwortlich. Mag. Reiss transkribierte die Inschriften und datierte die Grabsteine.
Nur das koordinierte Miteinander einzelner Personen ermöglichte letztlich die Präsentation der wiederentdeckten Grabsteine für eine breite Öffentlichkeit. Wiener Neustadt beherbergt damit ein weiteres kulturgeschichtlich interessantes und kostbares Kulturgut – mit dem ein Blick über hunderte von Jahren zurück in eine längst vergangene Zeit möglich ist. Diese Grabsteine verweisen auf die Existenz einer großen jüdischen Gemeinde im Mittelalter.

Nach den Hinweisen von Max Pollak aus dem Jahr 1927 sollte der zweitälteste jüdische Grabstein, der je in Wiener Neustadt gefunden wurde (1274), dabei sein. Doch dem ist nicht so. Gleichwohl ist tatsächlich der zweitälteste jüdische Grabstein, der je in Wiener Neustadt gefunden wurde, dabei, aber er stammt aus dem Jahr 1268. Der einst auf das Jahr 1274 datierte Stein ist nicht mehr aufzufinden, allerdings sind drei Steine mit jenen der letzten Nennung von 1927 ident: 1341, 1346 und 1551.

  • Grabstein 1: 1268
  • Grabstein 2: 1341
  • Grabstein 3: 1346
  • Grabstein 4: 1551 (?)
  • Grabstein 5: 1684 (?)

Die für die Jahre 1551 und 1684 datierten Grabsteine bedürfen ebenso einer besonderen Betrachtung, weil keine Belege vorliegen, die eine Existenz eines jüdischen Friedhofes für das 16. und 17. Jahrhundert bestätigen würden.
Erst Anfang des 18. Jahrhunderts lebten über fünfhundert Juden in Wiener Neustadt und vielleicht befand sich damals auch eine Begräbnisstätte an diesem Ort. Die Stadt hob ein sogenanntes „Judengeld“ als Abgabe ein, später den „Judengroschen“. 1713 wurden Juden aus der Stadt ausgewiesen.
Der Stil der Inschrift des Grabsteins Nr. 4 ist, abgesehen von der Schlussformel, ähnlich jenem des 17. und 18. Jahrhunderts. Pollak meint: „Der Stil der Inschrift … wäre wohl geeignet, die Herkunft des Grabsteines aus einer Übergangszeit zwischen zwei Stilgattungen, zwischen dem 13. bis 15. Jahrhundert einerseits und dem 17. Jahrhundert andererseits zu bestätigen.“ (Pollak S. 112)
Der Grabstein aus dem Jahr 1346 belegt, dass die Verfolgungen während der Pestjahre (1348/49) sowie in der Zeit der Naturkatastrophen und Hungersnöte in der Mitte des 14. Jahrhunderts in Europa offensichtlich auch in Wiener Neustadt ihre Spuren hinterlassen haben könnten. Der in der Inschrift des Grabsteins Nr. 3 genannte Simcha wurde erschlagen, weil er seinem Glauben nicht abschwören wollte („weil er nicht frevelte mit seinen Händen“). Außergewöhnlich ist der klar zum Ausdruck gebrachte Wunsch, dass dessen Tod bald gerächt werde.

Datierung

Mag. Johannes Reiss nahm die Datierungen 2007/08 zuerst anhand von Fotografien und nach der Sanierung im Winter 2008/09 dann endgültig im Herbst 2009 vor. Seine Transkriptionen und Anmerkungen zur Datierung und zu den jeweiligen Inschriften sind auf der Website des Österreichischen Jüdischen Museums (ÖJM) nachzulesen:

Eine detaillierte Gesamterfassung alle jüdischen Grabsteine, die in Wiener Neustadt gefunden wurden, ist in der folgenden Publikation zu finden:
Sulzgruber, Werner: Das jüdische Wiener Neustadt. Geschichte und Zeugnisse jüdischen Lebens. Wien: Mandelbaum 2010.


Wichtige Entwicklungsschritte 2007-2009

Seit 2007 wurde die Gesamtkoordination von Dr. Werner Sulzgruber durchgeführt. Dieser war Initiator für die weiteren Maßnahmen und forcierte die Sanierung und Aufstellung der gefundenen Grabsteine.

Juni 2007

Begehung des Areals: Am 1. Juni 2007 wurden die Grabsteine, nachdem ihre Herkunft aus dem Mittelalter von Mag. Reiss bestätigt worden war, von Vertretern der Stadtgemeinde in Augenschein genommen (Mag. Siedl, Kulturstadträtin, Dir. Koppensteiner, Referatsleiter Museum, Archiv und Denkmalpflege, Dr. Geissl, stv. Kulturamtsleiter) und die IKG als Eigentümerin des Friedhofes (konkret MMag. Schärf, Jüdische Gemeinde Baden bei Wien) über den Sachverhalt in Kenntnis gesetzt.

Juli 2007

Besprechung mit Bürgermeister Bernhard Müller: Bgm. Müller wurde von Dr. Sulzgruber über den Fund in einem Gespräch informiert. Hierbei wurden gemeinsam mit Referatsleiter Koppensteiner Ideen der Präsentation, Möglichkeiten der Stadt Wiener Neustadt und weitere Vorgangsweisen geklärt. Bgm. Müller sagte seine volle Unterstützung und die Übernahme eines entsprechenden Kostenanteils (Sanierung, Aufstellung) zu.

Nach ersten „zaghaften“ Absprachen zwischen der IKG, dem Bundesdenkmalamt und der Stadt Wiener Neustadt kam es aber in den folgenden Monaten zum Stillstand. Grund dafür waren Unklarheiten bzgl. des weiteren Vorgehens und der Finanzierung. Die Stadtgemeinde bot an, den Abtransport aller fünf Grabsteine unentgeltlich durchzuführen. Jene sollten in einem städtischen Depot aufbewahrt werden, bis die Restaurierung durchgeführt würde. Die IKG lehnte den Abtransport ab, da sie den Verbleib auf dem Friedhof wollte. Folglich mussten die Steine ungeschützt überwintern.

April 2008
GR Martin Weber, Leiter der Immobilienabteilung des Stadt Wiener Neustadt, sagte seine Unterstützung bzgl. des jüdischen Friedhofs zu. Um den gesamten Ist-Zustand und erforderliche Maßnahmen der Sanierung auf dem jüdischen Friedhof Wiener Neustadt sehen und abschätzen zu können, wurde von Dr. Werner Sulzgruber ein „Zustands-, Pflege- und Sanierungsbericht“ erstellt. Dies ist ein von unabhängiger Stelle und auf wissenschaftlicher Basis zusammengestellter Gesamtbericht über den jüdischen Friedhof von Wiener Neustadt (inklusive einer Fotodokumentation).
Die vorgenommene Beleuchtung unterschiedlichster Aspekte (wie Gebäude, Mauerwerk, Bepflanzung, Wege etc.) erlauben einen Vergleich mit den Ergebnissen/Inhalten im sog. „Weißbuch der IKG“ (v. Mag. Tina Walzer). Auf Grundlage dieses Berichts konnten und können sich alle involvierten Institutionen (Stadtgemeinde, IKG, BDA) und Entscheidungsträger ein klares Bild über den Ist-Zustand des jüdischen Friedhofs und sämtlicher nötiger Maßnahmen machen. GR Weber sagte zu, einzelne Sanierungsschritte durchzuführen, die einer besseren Erhaltung des jüdischen Friedhofs dienen.

Juni 2008
Nachdem das BDA NÖ eine Zusage über einen Finanzierungsbeitrag gegeben hatte, wurde in einer Besprechung, an der Referatsleiter Koppensteiner, Kulturamtsleiter Prof. Pinczolits und Dr. Sulzgruber teilnahmen, festgehalten, dass die Stadtgemeinde den Großteil der Finanzierung der Restaurierung übernähme, wenn auch die IKG einen Beitrag leistet.

November 2008
Anlässlich einer Veranstaltung im Palais Epstein in Wien übergab Dr. Sulzgruber eine Informationsmappe an Präsident Ariel Muzicant mit der Bitte um Unterstützung und Einleitung notwendiger Maßnahmen seitens der IKG Wien.

Dezember 2008
Zusage der IKG über Kostenbeteiligung
Auftragserteilung an dem akademischen Restaurator Mag. Gurtner
Abtransport der Grabsteine von Mag. Gurtner (blaue Jeans) und einem Mitarbeiter (blaue Kappe) mit Unterstützung von Referatsleiter Koppensteiner:

Die Sanierung erfolgte nach modernsten Maßstäben:
Phase A: Reinigung (z. B. Entfernung von Moosen,…)
Phase B: Durchführung von Verklebungen
Phase C: Durchführung von Ergänzungen bzw. Schließungen (zur Verhinderung des Eindringens von Wasser u. a.)

Jänner 2009
Zusage der IKG über Kostenbeteiligung
Besuch von Dr. Sulzgruber im Atelier Gurtner, Wien
Besichtigung der Ergebnisse der ersten Sanierungsschritte
Überlegungen für Konzepte der Aufstellung der Grabsteine

Februar 2009
Treffen, Büro der IKG Wien
Mag. Fastenbauer (Generalsekretär der IKG Wien), GR Martin Weber (Immobilienabteilung), Prof. Franz Pinczolits (Kulturamtsleitung) und Dr. Sulzgruber (Koordination)
Abklärung offener Fragen und Aspekte zu den weiteren Vorhaben auf dem jüdischen Friedhof von Wiener Neustadt

März 2009
Im März 2009 kam es zum Zusammentreffen aller Verantwortlichen auf dem jüdischen Friedhof. Anwesend waren Vertreter der Stadtgemeinde, der IKG und des BDA, also Entscheidungsträger aus allen Bereichen. Damit wurde dieses Treffen zum zweifellos wichtigsten sowohl im Zusammenhang mit der Aufstellung der fünf mittelalterlichen Grabsteine als auch mit der Erhaltung und Sanierung des jüdischen Friedhofs von Wiener Neustadt.
Die hier getroffenen Entschlüsse wurden in einem Protokoll erfasst und betrafen unter anderem folgende Punkte:

  • Auswahl des Platzes für die Aufstellung
  • Einzelne Sanierungsmaßnahmen, die auf dem jüdischen Friedhof durchgeführt werden müssen und unterschiedlichste Bereiche betreffen (z. B. Zugangstor, Innenzaun, Einfriedungsmauer), wurden – als Orientierung und gemeinsam befürwortet – festgelegt.
  • Eine „sanfte Öffnung“ des jüdischen Friedhofs und seine Etablierung als „Lern- und Gedenkstätte“ wurden ausdrücklich gutgeheißen und von allen Verantwortlichen unterstützt.

Im von Mag. Gurtner überarbeiteten Konzept wurde die folgende Bauvariante festgelegt:

  • Betonsockel (geschalt-glatt oder Putz) mit Ausnehmungen
  • Zwei Seitenhalterungen (I-Trägern) pro Grabstein [Seitenabstand zum Stein mind. 10 cm]
  • Fixierung einzelner Grabsteine [solche mit vorhandenem Sockelteil = Stein Nr. 1, 2, 3, 5] in den Ausnehmungen mittels eingefülltem Gräder-Material
  • Fixierung des Grabsteins ohne Sockelteil [= Stein Nr. 4] nur mittels Metall-Laschen
  • Seitliche Fixierung aller Steine mit Metall-Laschen
  • Überdachung mit Glas
  • Beschilderung mit Hilfe von Messing-Metalltafeln (eingeritzte Übersetzung)
Zweites Konzept von Mag. Gurtner

Zweites Konzept von Mag. Gurtner

Foto: Photomontage, Atelier Gurtner, Wien

Im Hinblick auf die Ergebnisse der Datierung wurde von Dr. Sulzgruber eine andere Reihenfolge vorgeschlagen und letztlich die Aufstellung der Grabsteine unter Berücksichtigung ihrer Datierung realisiert, was angesichts der Steingrößen auch ein optisch ansprechenderes Gesamtbild ermöglichte.

Sanierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen (Protokollauszug):

  • Innerer Zaun: Sockelmauerwerk wird durch Betonkosmetik ergänzt und die Zaunfelder komplett erneuert
  • Inneres Tor: doppelflügelig, schließbar bzw. gängig machen
  • Baumschnitt: wird, wie bisher, laufend durch die Stadt durchgeführt
  • Mauer: äußere Begrenzungsmauer (Bruchsteinmauerwerk) – heruntergefallene Steine dürfen wieder angebracht werden und mit Beton, nach optisch gefälliger Art, befestigt werden
  • Torsockel im äußeren Eingangsbereich: es genügt eine neuer Anstrich

Juli-September 2009
Herstellung der Rückwand, des Sockels und der Dachkonstruktion durch das Bauamt Wiener Neustadt
Aufstellung und Fixierung der sanierten Grabsteine durch Mag. Gurtner

Oktober 2009
Zweiter „Aktionstag“

November 2009
Offizielle Präsentation der Grabsteine am 19. November 2009 am jüdischen Friedhof Wiener Neustadt, Wiener Straße 95
Nach zweieinhalb Jahren wurde am 19. November 2009 der wiederentdeckte Kulturschatz aus dem Mittelalter der Öffentlichkeit präsentiert.
Auf politischer Ebene gaben Bürgermeister Bernhard Müller und Kulturstadträtin Isabella Siedl angesichts der Besonderheit des Fundes und seines Wertes für die Stadt Wiener Neustadt sofort grünes Licht. Für das Gelingen des Projekts war in Folge die Unterstützung von folgenden Personen wichtig: Gemeinderat Martin Weber (ehem. Leiter der Immobilienabteilung), Professor Franz Pinczolits (Leiter des Kulturamtes), Reg.Rat Norbert Koppensteiner (ehem. Leiter des Stadtmuseums), Mag. Eveline Klein (Referatsleiterin Archiv, Museum und Denkmalpflege), Mag. Raimund Fastenbauer (Generalsekretär der Israelitischen Kultusgemeinde Wien), DI DDr. Schicht (Bundesdenkmalamt Niederösterreich) und Mag. Johannes Reiss (Direktor des Österreichischen Jüdischen Museums, Eisenstadt).
Durch eine gemeinsame Finanzierung seitens der Stadtgemeinde Wiener Neustadt, der Israelitischen Kultusgemeinde Wien und des Bundesdenkmalamtes Niederösterreich konnte die notwendige Restaurierung durch den Fachmann Mag. Christian Gurtner realisiert werden und letztlich auch die Aufstellung der wertvollen Grabsteine – in Form einer Installation an der Nordmauer des jüdischen Friedhofs – Wirklichkeit werden.

Präsentation der Grabsteine ÖJM