Synagogenprojektion

Die Projektion der Synagoge

Die Idee einer Kunst-Aktion

Bereits zu Jahresbeginn 2012 wurde von Mag. Dr. Werner Sulzgruber die Idee geboren, die Wiener Neustädter Synagoge (einst Baumkirchnerring 4) auf das Anton-Proksch-Haus (heute Baumkirchnerring 4) zu projizieren. Der große Vorteil lag darin, dass seit 2010/11 eine virtuelle Rekonstruktion des Gebäudes bestand, die von Dipl.-Ing.in Susanne Schwarz angefertigt worden war und dankenswerterweise von ihr für einen solchen Zweck auch zur Verfügung gestellt wurde. Mag. Dr. Sulzgruber war es wichtig, dass das historische Gebäude mit seiner außergewöhnlichen Architektur öffentlich sichtbar gemacht würde und vor allem in der Originalgröße am seinem ursprünglichen Standort betrachtet werden kann. Denn nur dann würde den Betrachtern die Dimension der Synagoge und ihre Baukunst anschaulich vor Augen geführt und der unwiederbringliche Verlust derselben bewusst gemacht werden können.
Obgleich es sich zum damaligen Zeitpunkt beim Anton-Proksch-Haus um ein Gebäude im Eigentum der Stadtgemeinde handelte, das leer stand, womit einer Umsetzung nichts im Wege zu stehen schien, scheiterte das Unterfangen daran, dass keine finanziellen Mittel aufgebracht werden konnten, da weder die Stadtgemeinde noch Einrichtungen des Bundes das Projekt unterstützen wollten. So verstrich das Jahr 2012, das hinsichtlich der geschichtlichen Jahre ein passendes für eine solche Kunst-Aktion gewesen wäre: Erbauung der Synagoge (1902) – Beginn des Abrisses (1952) – Gedenken (2012).
Wie Mag. Dr. Sulzgruber überraschender Weise herausfand, hatte es bereits im Jahr 2010 ein ähnliches Projektionsprojekt in Wien (Hubertempel in Ottakring) gegeben: artuum.at. Für Niederösterreich konnte es damit das erste seiner Art werden. Es bot sich an, eine Verbindung zum Gedenken „75 Jahre Novemberpogrom“ zu suchen. Die Umsetzung beim Erinnerungsort Synagoge sollte auf die jüdische Vergangenheit von Wiener Neustadt hinweisen und spezifische Thematiken öffentlich bewusst machen, nämlich das Bestehen einer großen jüdischen Gemeinde mit einem religiös-kulturellen Zentrum, die Vertreibung von Juden und Jüdinnen, die Zerstörung des Gotteshauses und den Verlust von Kultur und Mitmenschen. Das Novemberpogrom war nach dem Anschlusspogrom 1938 die Spitze der Gewalt gegen Juden und Jüdinnen gewesen. Damals waren die jüdischen Mitbürger und Mitbürgerinnen endgültig aus der Stadt vertrieben worden. Das Ende der IKG war besiegelt gewesen.

Realisierung 2013

Dass die Projektion letztlich zustande kommen konnte, ist mehreren Personen zu verdanken, die bei der Organisationsarbeit mitwirkten. Der Leiter des Kulturamtes Mag. Michael Wilczek und die Referatsleiterin für Archiv, Museen und Denkmalpflege, Frau Mag.a Eveline Klein, sicherten die Finanzierung des Projekts, wobei hier den einzelnen Sponsoren (KME, Denkmalschutzverein Wiener Neustadt, Rotary Club Bad Fischau-Thermenregion, Arbeiterkammer für Niederösterreich, Notar Mag. Michael Platzer) ausdrücklich zu danken ist. Nach Begehungen vor Ort übernahm Frau Mag.a Vorisek (KME) die Kommunikation bzw. Abwicklung der letzten offenen technischen Fragen mit der zu beauftragenden Firma. Frau Dipl.-Ing.in Susanne Schwarz, die ihre Arbeitsergebnisse zur Verfügung gestellt hatte, unterstützte den gesamten Prozess, und Herr Dipl.-Ing. Herbert Peter (TU Wien) half spontan und kurzfristig bei der Vorbereitung des Projektionsbildes (Rasterung).
Die Eventmanagement- und Lichttechnik-Firma Pani war höchst entgegenkommend, erfahren und flexibel und erhielt letztlich den Zuschlag. Der erforderliche Turm, auf dem sich das Projektionsgerät befinden musste, um die Blendwirkung für Fahrzeuglenker zu vermeiden, wurde in der letzten Planungsphase versetzt, um einen besseren Blickradius für das Publikum am Johann-von-Nepomuk-Platz zu ermöglichen. Das Projektionsgerät wurde auf einem Kleinlastkraftwagen aufgesetzt, um keinen Gerüst-Turm errichten zu müssen. Der neue Eigentümer der Liegenschaft Baumkirchnerring 4, Herr KR Jürgen Uhl, gab dankenswerterweise sein Einverständnis für die Projektion und wartete mit den Bauarbeiten am Gebäude. Insofern war es die letzte Chance für dieses Projekt.



Der Abend der „Licht-Erscheinung“

Parallel zur Gedenkveranstaltung „75 Jahre Novemberpogrom“, die wetterbedingt in der großen Halle der Klosterkirche von St. Peter an der Sperr stattfand, wurde um zirka 17.20 Uhr die Projektion im Freien aktiviert. Obgleich diese Kunst-Aktion in den lokalen Pressemedien angekündigt worden war, verblüffte der Anblick überraschte Passanten und Fahrzeuglenker, die mit ihren Mobiltelefonen erste Fotos machten.
Nach der über einstündigen Gedenkveranstaltung im Inneren der ehemaligen Klosterkirche traten die interessierten Gäste in der Folge durch den kleinen Türzugang ins Freie. Die Türschwelle eröffnete ihnen den Blick direkt auf die Projektionsfläche. Es war ein echter „Wow-Effekt“, denn niemand konnte sich die Wirkung nur annähernd vorstellen. Die Menschen waren gebannt von der Farbkraft und Dimension des Gotteshauses.
Fünf Stunden war die Synagoge in ihrer Originalgröße und in Farbe zu sehen, an ihrem historischen Standort am Baumkirchnerring 4. Das Anton-Proksch-Haus bot die perfekte Projektionsfläche als unbewohntes Gebäude mit heller Fassade. Aufgrund der Grünfläche vor dem Haus mit ihrem Bewuchs kam es naturgemäß zu gewissen Einschränkungen in der Projektion. Der Dachabschluss der Synagoge ging über die Höhe der existenten Dachfläche hinaus, weshalb die einstigen Gebotstafeln nur aus weiter Entfernung gesehen werden konnten.
Es kam außerdem auf den Winkel an, aus welchem man die Projektion betrachtete, denn man konnte aus anderen Blickwinkeln so manch interessantes Detail entdecken und perspektivische Veränderungen wahrnehmen. Besucher gingen auf dem Parkplatz umher und auch auf die Straße, um „das perfekte Foto“ zu machen.

Abbildung der Synagoge von Wiener Neustadt




Die Eindrücke der Menschen und ihre Rückmeldungen waren überwältigend. Da es eine solche Kunst-Aktion in Wiener Neustadt noch nie gegeben hatte und somit erstmals ein historisches Gebäude technisch „wiedererweckt“ werden konnte, war die Faszination groß, wie die folgenden Anmerkungen zeigen.

Kommentare & Episoden:

  • Eine Frau meinte, dass sie sich nicht losreißen konnte und sich die Synagoge die ganze Zeit anschauen musste. Sie vermochte ihren Blick nicht abzuwenden und wollte nicht weggehen, weil ihr bewusst war, dass es die einzige Möglichkeit war, das Kunstwerk jemals so zu sehen.
  • Personen sandten SMS und riefen Freunde und Angehörige an, um ihnen mitzuteilen, wo sie soeben waren und was sie sahen. Manche forderten andere auf, noch zu kommen, bevor die Projektion deaktiviert werden würde.
  • Einzelne Personen gingen oder fuhren nach Hause, um ihren Fotoapparat zu holen und nochmals zu kommen, um das Ereignis für sich zu dokumentieren.
  • Ein ausländischer Gast meinte, dass er gar nicht gewusst hätte, dass in Wiener Neustadt noch eine Synagoge existieren würde. Seine Begleitung machte ihn darauf aufmerksam, dass hier nicht ein bestehendes Gotteshaus nur beleuchtet, sondern ein Farbbild der Synagoge auf die Fassade eines Haus projiziert werde.
  • Um 22.00 Uhr wurde die Projektion deaktiviert. Doch nur Sekunden nach dem Abschalten, liefen noch Personen auf den Projektor-Standort zu und baten eindringlich darum, die Projektion nochmals zu starten. Da auch Mag. Dr. Sulzgruber zu dieser späten Stunde persönlich vor Ort war, wurde dies von der Firma Pani großzügiger Weise ermöglicht, und so konnten auch noch die letzten Interessierten an diesem Abend dieses einzigartige „Lichtspiel“ betrachten und fotografieren.

Eine neue Erkenntnis zur Synagoge

Mag. Johannes Reiss analysierte anlässlich der Projektion die Inschrift an der Gebäudefront der Synagoge und fand heraus, dass das Baujahr 1902 im Schriftzug enthalten war. Allerdings wusste das einst nur der des Hebräischen kundige Betrachter.


Rosette

Abbildungen der Rosette der Wiener Neustädter Synagoge

(laut Rekonstruktion und Original-Fotoausschnitt)


Nachzulesen unter:
www.ojm.at/blog

Medien & Presse


Beitrag bei WNTV:
www.wntv.at (Zählwerk 01.20-02.08)

Pressebeitrag der NÖN


Rosette