Lern- und Gedenkstätte Jüdischer Friedhof Wiener Neustadt

„Lernort“ – Jüdischer Friedhof

Der jüdische Friedhof in Wiener Neustadt ist ein letztes Zeichen der jüdischen Gemeinde, die bis 1938 existierte. Die dort befindlichen Grabsteine sind „steinerne Zeugen der Zeit“.
Über sie kann Geschichte dargestellt werden, jüdische Kultur vermittelt und vom Leben und Tod der jüdischen Bevölkerung erzählt werden. Er bietet die Chance, aus der Geschichte zu lernen.
Hinter jedem Grabstein steht quasi eine Geschichte: die Geschichte einer Familie und die Biografie eines Menschen. Weiß man über die Lebens- und Schicksalswege der betreffenden Personen Bescheid, so lassen sich die Vergangenheit und die historischen Entwicklungen mit ihren Auswirkungen auf die Menschen in Wiener Neustadt nachvollziehen. Man erhält einen Einblick in die Lebenssituation, die sozialen, ökonomischen und politischen Gegebenheiten sowie in Motive, Handlungszwänge und Konsequenzen. Es ist eine Geschichte vom Leben: dem Leben voll Freude, Liebe, Hoffnung; aber auch vom Leben voll Leid, Angst und Gewalt.

Der jüdische Friedhof lässt aufgrund seiner besonderen Aura, der auf ihm (zum Beispiel in Inschriften) bewahrten Informationen und der Konfrontation mit den Schicksalen von Menschen ein spezifisches Lernen zu: Die Auseinandersetzung mit exemplarischen Lebenswegen fördert Empathie und Verständnis.

Kultur- und Bildungsangebote:

  • Führungen auf dem jüdischen Friedhof
  • Stadtrundgänge durch das „jüdische Wiener Neustadt“
  • Vorträge und Präsentationen in Schulen
  • Lernmaterialien als kostenloser Download

Informationen über den jüdischen Friedhof & Personenbiografien:

Sulzgruber, Werner: Das jüdische Wiener Neustadt. Geschichte und Zeugnisse jüdischen Lebens vom 13. bis ins 20. Jahrhundert. Wien: Mandelbaum 2010. http://www.mandelbaum.at/books/764/7335

Ausserdem über die Geschichte der IKG:

Sulzgruber, Werner: Die jüdische Gemeinde Wiener Neustadt. Von ihren Anfängen bis zu ihrer Zerstörung. Wien: Mandelbaum 2005. http://www.mandelbaum.at/books/764/6936


Sulzgruber, Werner: Lebenslinien. Jüdische Familien und ihre Schicksale. Eine biografische Reise in die Vergangenheit von Wiener Neustadt. Wien, Horn: Berger 2013. http://www.verlag-berger.at


„Gedenkstätte“ – Jüdischer Friedhof

Im Grunde ist jeder Friedhof eine Stätte des Friedens und der Ruhe, aber auch eine Stätte des Gedenkens. Wenn wir auf den Friedhof gehen, auf dem Familienangehörige bestattet sind, dann erinnern wir uns an sie oder daran, was über sie berichtet wird. Es ruft vielleicht ein Bild des Verstorbenen in uns wach und bringt im wahrsten Sinne des Wortes den „Menschen im Geiste“ hervor. Dies kann bei einer geliebten Person schmerzlich sein. Wir achten daher auf die Pflege des Grabes, ist sie doch Ausdruck der Wertschätzung der betreffenden Person, dem verstorbenen Menschen gegenüber.
Der jüdische Friedhof in Wiener Neustadt ist also an sich schon eine „Gedenkstätte“ und stellt einen Beitrag zur kollektiven Erinnerungskultur im südlichen Niederösterreich dar.
Nach der Zustimmung aller Entscheidungsträger im März 2009 über die Zielsetzung, eine „sanfte Öffnung“ des jüdischen Friedhofs zuzulassen und eine „Lern- und Gedenkstätte“ zu etablieren, konnten erste notwendige Schritte gesetzt werden:

  • Aufstellung mittelalterlicher Grabsteine (Mai 2007 - November 2009)
  • Erarbeitung einer wissenschaftlichen Publikation (ab 2007; als offizielles Projekt: Juli 2009 - August 2010)
  • Schaffung einer Website (Juli 2010 - Mai 2011)

Menschen mit Geist für die Sache, Menschen mit historischem Bewusstsein, Menschen mit Verständnis für Kultur und kulturelle Werte und Menschen mit Verantwortungsgefühl sind an den grundlegenden Maßnahmen beteiligt, sodass der jüdische Friedhof seiner Aufgabe als Gedenkstätte gerecht werden kann.
Dennoch handelt es sich um einen laufenden Prozess, der mit viel Idealismus vorangetrieben wird und in dem der Friedhof in Schritten und nach Möglichkeiten saniert und ausgebaut wird.

Basiselement „Pflege“:

Es wird eine entsprechende Pflege des Friedhofs (Grün- und Baumschnitt, Reinigung) seitens der Stadtgemeinde und mittels „Aktionstagen“ mit Freiwilligen geleistet, dass Personen die „Lern- und Gedenkstätte“ in Wiener Neustadt besuchen und das dort angebotene Kultur- und Bildungsprogramm wahrnehmen können. Das praktische Tätig-Werden für diesen Ort ist Bewusstseinsbildung (bzgl. des Umgangs mit einem denkmalgeschützten Kulturgut) und Wertevermittlung (Denkmalpflege). Das Miteinander fördert die soziale Kompetenz der Beteiligten.

Basiselement „Mittelalterliche Grabsteine“:

Die fünf mittelalterlichen jüdischen Grabsteine, die 2009 auf dem jüdischen Friedhof zur Aufstellung gekommen sind, zeugen von der jüdischen Vergangenheit der Stadt. Sie sind Symbole jüdischen Lebens in der „Neustadt“ im Mittelalter (13.-15. Jh.), als Wiener Neustadt zu den ältesten und bedeutendsten jüdischen Gemeinden zählte. Sie ermöglichen es nun vor Ort, auch die mittelalterliche Geschichte abzubilden und wieder lebendig werden zu lassen.

Basiselement „Sanierung“:

Obwohl der jüdische Friedhof im Allgemeinen in einem guten Zustand ist, sind in einzelnen Bereichen dennoch dringend gewisse Sanierungen erforderlich, die sich beispielsweise auf den Zugangsbereich (inneres Zugangstor, innerer Zaun), die Umfassungsmauer und Gebäude beziehen. Außerdem müssen unbedingt instabile und umgefallene neuzeitliche Grabsteine (und Sockel) professionell aufgerichtet und fixiert werden – ein Punkt, der auch die Sicherheit für Besucher betrifft.

Mag. Gurtner realisierte als Geste des guten Willens im Frühjahr 2010 erste kleinere Arbeiten, indem er zwei Grabsteine aufstellte, verklebte und verdübelte. Mit einem dritten wurde begonnen. Am Beispiel dieser Arbeiten lassen sich die Maßnahmen im Detail veranschaulichen: Sanierung neuzeitlicher Grabsteine

Basiselement „Information“:

Der im September 2010 erschienene Text- und Bildband „Das jüdische Wiener Neustadt“ und die vorhandene Website bilden eine wichtige Informationsgrundlage für den jüdischen Friedhof. Für die Zukunft ist an verschiedene weitere Aspekte des Wissenstransfers gedacht:

  • Besucherinformationen und Orientierungsplan am jüdischen Friedhof
  • Beschriftung der mittelalterlichen Grabsteine
  • Produktion eines Folders bzw. einer kompakten Broschüre
  • Ausbau eines Informations- und Gedenkraumes

Die „Lern- und Gedenkstätte Jüdischer Friedhof Wiener Neustadt“ ist ein Beitrag zum bestehenden Bildungsangebot, zur Stadt- und Regionalgeschichte von Wiener Neustadt und zur Erinnerungskultur.
Sie fußt auf der Initiative „Aktion Kulturdenkmal Jüdischer Friedhof“ (AKJF). Dies ist eine Initiative, die 2007 ins Leben gerufen wurde und zum Ziel hatte, den jüdischen Friedhof von Wiener Neustadt als „Lern- und Gedächtnisort“ zu etablieren. Ursprüngliche Ziele 2007: AKJF 2007

Heute ist die AKJF ein Netzwerk, das die Erhaltung und Verbesserung des Pflegezustandes des Friedhofs zum Ziel hat, indem

  • gewisse Pflegearbeiten (Reinigungs- und Schnittarbeiten) auf dem Friedhof unter Beteiligung von Freiwilligen in Form von „Aktionstagen“ organisiert werden (zu diesem Zweck ist ein Schulnetzwerk in Aufbau), und
  • die Durchführung von Sanierungsmaßnahmen vorangetrieben wird (wofür Sponsoren gesucht werden).